Im Jeansanzug und mit Basecap – so tauchte der vitale Mittsechziger vor dem Match der Biesdorfer Fortuna gegen Wittenau am Grabensprung auf. Manne Schickgrams eigentliche Fußball-Herz-Dame ist Berolina Stralau. Diesem Verein gehört der frühere Mittelfeldspieler seit dem August 1957 an. Anfang der 60er entdeckte Kulttrainer Schwenne Schwenzfeier das Talent des „Kleenen von Bero“ und berief ihn in die DDR-Juniorenauswahl. Diverse Knieprobleme zwangen ihn zum relativ frühen Karriereende. Einen Namen machte sich Manne Schickgram anschließend als Fußball-Lehrer…
Für sein langjähriges erfolgreiches Engagement als Bero-Trainer wurde „Schicki“ erst kürzlich am „DFB-Ehrenamtstag 2010“ vom Berliner Fußballverband geehrt und ausgezeichnet. „ Da ha`ick mich wirklich jefreut“, sprudelte es aus ihm heraus.“ Olle Dieter Fietz war dabei, auch Fliege Rudolph.“ Spielgefährten und Kontrahenten aus aktiver Zeit, von Union und Lichtenberg 47.
Bei Fortuna lässt sich der in Berlin allseits geschätzte Experte schon deshalb öfter blicken, weil seine Söhne René (gute Genesung nach OP!) und Heiko in Biesdorf kicken. Heiko, der einst wie der Vater den Sprung in die ostdeutsche Junioren-Auswahl schaffte, kann mit dem 7er Altliga-Team Ü40 in dieser Saison vom Titel träumen. Darauf angesprochen, überrascht Manne Schickgram mit der Ohne-Wenn-und-Aber-Aussage: „Berliner Meister ? Ick hab da´n janz jutes Jefühl. Lankwitz und Neukölln zu Hause, die hau`n se weg. Dit Endspiel seh ick bei Hürriyet. Vor dem letzten Tag in Mahlsdorf muß allet jeloofen sein…“
Als wollten die Protagonisten um Kapitän Jockel Rieck die ambitionierte Voraussage des Altmeisters bestätigen, ritt Fortunas „Kavallerie“ beim 8:2-Sturmlauf schon in den ersten sechs Minuten alles flach. Raimund Kluges uriger Schrei nach dem Führungstor machte Russel Crowe in Robin Hood Konkurrenz. Er setzte den ersten und den letzten Pfeil im Wittenau Forest – und ließ sich in Anlehnung an Inter-Coach Mourinho als „The special one“ feiern. Seinem sportlichen Vorgesetzten bestätigte Raimund genüsslich: „Alles richtig gemacht, Trainer…“
Aber bei aller humoresker Begleitmusik kann man nüchtern feststellen: Fortuna hat, abgesehen von einigen Aussetzern, in der Defensive enorme Fortschritte gemacht. Coach Gerhard Schreiber hat es geschafft, Jockel Rieck und Raimund Kluge in ihrem Offensivdrang zu zügeln. Insider sind der Meinung, dass ihnen in der Liga keiner davonläuft. Trotzdem machen sie ihre Tore – Jockel 6, Raimund 3. Der Sicherheitstrakt K&R in dieser Saison eine Art Lebensversicherung. Hinzu kommt, dass Keeper Henry Rembach ebenfalls eine starke Saison spielt, Micha Schuth als wichtiger
Koordinator die Balance zwischen Defensive und Offensive herstellt, Teamplayer wie Andrè Weise stärker als noch in der vergangenen Saison nach hinten arbeiten. Die Bilanz: Eine tolle Zu-Null-Serie und nur 27 Gegentore!
Und in der Abteilung Attacke ? Mike Groß (3) und Torsten Schrumpf (2) erhellten Fortuna-Fans und Kollegen das Gemüt und vermiesten Wittenau den undankbaren Dienst. „Einfach spielen, nicht kompliziert“, gab der Trainer Gerhard Schreiber vor: „ Grundlinie, Rückpaß, Tor!“ Schicki Schickgram (exquisite Vorarbeit) und Ulli Berger ( mit fulminantem Direktschuß unter die Querstange) demonstrierten das mit einer First-Class-Action. Vor allem aber Mike und Torsten hielten sich in schöner Eintracht daran und produzierten muntere und sehenswerte fünf Tore. „Heute, das war okay“, drückte der Coach schnell auf die Euphoriebremse und hängte die Latte höher: „Jetzt müssen aber beide zeigen, dass sie auch gegen Mitkonkurrenten wie Hürriyet treffen.“
Groß also nur groß gegen die Kleinen oder Groß auch groß gegen die Großen ? Mike hat das Potenzial, die Fortuna zum Meistertitel zu schießen. Nur einmal bisher konnte der 44jährige Offensivmann einen vergleichbaren Erfolg genießen. 1988 wurde er mit der Marzahner U21-Mannschaft Berliner Meister. Er relativiert: „ Das Ganze fand ohne Klubspieler statt, also ohne die Talente von Union oder Dynamo.“ Und der Preis ? „Eine Reise nach Minsk und Moskau, ja…“ Demnach wäre Mike ganz gut als erster Ansprechpartner für Kevin Kuranyi und sein Moskauabenteuer geeignet…
Doch warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah. In diesem Fall die große Leinwand in Georgs Pub. Kapitän Jockel Rieck war einer von denjenigen, die sich intensiv den Sensationssieg der deutschen Eishockeycracks gegen die USA reinzogen. Als Bundestrainer Uwe Krupp bilanzierte, „manchmal wird harte Arbeit belohnt“, hat er vielleicht schon an Fortunas Saisonfinale gedacht, das der Realo Manne Schickgram ja schon in den schönsten Farben gemalt hat. Und der steht nicht im Verdacht, ein Träumer zu sein…