Borussia wie Fortuna
– „zu weich verteidigt“
Er war als „Totengräber“ des Fußballs verschrien. Doch Helenio Herrera, Trainer von Inter Mailand, ließ sich nicht vom so genannten Catenaccio, vom „Riegelsystem“, abbringen und gewann mit den Nationalspielern Facchetti, Burgnich, Mazzola 1964 und 1965 den Europacup der Landesmeister, der heutigen Champions League. Seine Grundphilosophie: „1:0. Das zählt. Sonst nichts.“
Damit wären Borussia Dortmund und Fortuna Biesdorf an diesem Wochenende doch ganz zufrieden gewesen. Die einen hofften „hinten stabil“ zu sein, die anderen gaben die Order aus: „Die Null muss stehen.“ Doch beide Teams haben – so sehr der Vergleich natürlich hinkt – „zu weich verteidigt“.
Dabei begann die Fortuna im Spiel nach vorn attraktiv: Gut getimter Flankenball von Jürgen Klawe, clever mit dem Köpfchen von Uli Berger verarbeitet: 1:0. Hockie Hallmann, der Lange, witzelte: „ Ich hätte mich noch bücken müssen.“ Mit Ansage kam postwendend der Ausgleich durch Orhan Atalay, dem Besten in Brandenburgs Team. Auch durch einen vermeidbaren Kopfball. Nach einer kurzen Verunsicherung setzte Fortuna wieder offensive Zeichen: Schicki Schickgram blockte raffiniert und legte für Jürgen Klawe auf – und der machte diesmal den „Robben“. Geschaut, justiert, präzise ins Eck. Super-Auftritt von Jürgen. Als dann noch Schicki mit einem tollen Kracher an den Innenpfosten auf 3:1 erhöhte, dachten alle kurz vor dem Pausenpfiff: „Ideales Resultat“. Doch der FC Brandenburg schlug nervenstark zurück und schockte die Fortuna mit zwei Blitztoren zum 3:3. Der einstige Meister-Keeper Henry Rembach monierte: „Auf jeden Fall sind da zu viele Positionswechsel.“
„Wir können einfach einen komfortablen Vorsprung nicht verwalten“, ärgerte sich Andrè Weise, der am Knöchel verletzt zuschaute. Andere Stand-by-Player wie Peter Wichmann, Müllex Müller, Torsten Schrumpf und Torsten Vonhoff wurden an diesem Abend in der Rolle des Motivators aktiv: „ Mitte zumachen“, „Körpersprache zeigen“, „Ja, super Jürgen“.
Dass die Fortuna Fußball kann, bewies sie auch in der zweiten Halbzeit mit einem hohen Unterhaltungswert. Trotz der Superreaktionen von Gäste-Torhüter Klaus-Dieter Lötsch, der sich enorm steigerte, wurden Chancen für drei Siege herausgespielt, Sveni Küchler, der „Brasilianer aus Stendal“, vergab eine dicke Gelegenheit, eine andere Schicki vom 9-Meter-Punkt. „Was wollen wir eigentlich noch mehr“, wetterte Peter Wichmann an der Linie. Schicki erklärte der Welt: „Mir gingen zuviel Gedanken durch den Kopf.“ Zuvor hatte sich Schicki schon ein paar grenzwertige Zweikämpfe mit dem starken Gästekapitän Mario Wenzel geliefert. Doch Schiedsrichter Dieter Wolf , eine o-beinige Autorität im gewölbten gelben Shirt, brachte die explosiven Kampfhähne schnell wieder runter auf Null. Souverän gepfiffen! Schicki mit einem Augenzwinkern nach dem Spiel: „ Es muss ja was passieren. Sonst wird es langweilig.“
Mit dem angestrebten „zu Null“ ( Trainer Jürgen Hinz) wurde es nach dem 4:4 in Pankow wieder nichts. Der wunde Punkt – bei Borussia wie bei der Fortuna die zentrale Defensive. Vielleicht sollte man es einmal wie der legendäre Helenio Herrera probieren – „das Team zunächst von hinten heraus aufbauen und stabilisieren.“
Fortuna-Keeper Finki Fink rettete in der zweiten Halbzeit mit einer tollen Reaktion wenigstens einen Punkt. Bei den drei Gegentreffern ist ihm „allenfalls das 1:1 mit anzukreiden“, meinte Uwe Rutenberg, der Altersweise. Auf jeden Fall passierte Finki nicht so eine Slapstick-Nummer wie dem Mainzer Robin Zentner. Capitano Jockel Rieck und seine wiederholt flatternde Defensive ersparten Finki letztlich einen ähnlich schrägen Auftritt.
Aber weshalb eigentlich lamentieren ? Auch die Berliner Hertha durchlebte bei dem verrückten 3:3 in Wolfsburg – auch mit einem vergebenen Strafstoß – das Auf und Ab der Gefühle. Allerdings auf einem etwas höheren Level. Flüchten wir uns in die Fußball-Floskel: „So ist halt Fußball…“
GW